EINZELSCHICKSAL

- Unter jeder Uniform steckt nur ein Mensch -

Der VBGO e.V. ist mit der Bergung von Kriegsopfern beschäftigt, deren Schicksale größtenteils bis heute ungeklärt sind. Hierbei machen wir keinen Unterschied in der Nation.
 Jeder Mensch hat das Anrecht auf eine würdige Beisetzung. Seinem Opfer soll gedacht werden.

Im Tode sind alle gleich
.

Anbei sehen Sie einige wenige Beispiele der tausenden Schicksale, die wir seit 1992 klären konnten.
Jeder Tote hat eine Lebensgeschichte die erzählt werden könnte.
Exemplarisch haben wir hier einige kurz vorgestellt

 

 

Fritz Wieckert

Nationalität: Deutscher
Ausgrabungsort: Polen, Hinterpommern / Dramburg
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Fritz Wieckert – Ein Einzelschicksal

(von Daniel Hermann)

 

Der Mensch Fritz Wieckert

Fritz Wieckert wurde am 27.10.1904 in Blankenburg (Harz) geboren. Er

besuchte die ,,Berechtigte Rhotertsche Realschule zu Blankenburg-Harz''. Sein

Zeugnis vom 08.03.1923 zeigt, dass Fritz Wieckert ein durchschnittlicher

Schüler war. In den meisten Fächern wurde er mit ,,genügend'' bewertet.

Im Zeitraum vom 01.04.1923 bis zum 30.09.1925 absolvierte er seine Lehrzeit

bei der ,,Braunschweigischen Bank und Kreditanstalt A.G. Blankenburg am

Harz''. Infolge seiner guten Arbeit wurde er nach beendeter Lehrzeit als

Beamter in der Filiale in Blankenburg eingestellt. Aufgrund der Auflösung dieser

Geschäftsstelle wurde Fritz Wieckert am 30.11.1926 gekündigt.

Für Fritz Wieckert ging die Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle weiter.

Am 10.12.1926 schrieb er eine Bewerbung an die ,,Braunschweigische

Staatsbank'' und wurde dort als Bankbuchhalter für die Wert- und

Depotabteilung der Zweigkasse Blankenburg eingestellt. Aufgrund von

Personalabbau wurde er jedoch am 31.03.1927 wieder entlassen.

Nach vielen weiteren Versuchen fand Fritz Wieckert am 28.11.1929 seine

endgültige Arbeitsstelle bei der ,,Bergbau- und Aktiengesellschaft Lothringen –

Zweigniederlassung Blankenburg''. Der ständige Berufswechsel stellte zu

dieser Zeit keine Besonderheit dar. Durch die damalige Weltwirtschaftskrise

wurden viele Unternehmen gezwungen Kosten einzusparen, was sich meistens

durch die Entlassung einiger Mitarbeiter äußerte.

Am 3. April 1932 heiratete Fritz Wieckert Johanna Görlitz, mit der er 2 Söhne

bekam. Der erste Sohn, Fritz Wieckert, wurde 1933 in Thale (Harz) geboren der zweite Sohn, Klaus Wieckert, kam 1938 in Blankenburg zur Welt.

 

Der Soldat Fritz Wieckert

Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Zu diesem Zeitpunkt war

Fritz Wieckert bereits 34 Jahre alt. Wie viele Söhne und Väter dieser

Generation wurde auch er einberufen und zum Soldaten ausgebildet. Viele

Einheiten waren zu diesem Zeitpunkt mit Pferden ausgerüstet, die eine wichtige

Komponente des Transports und der Fortbewegung bildeten. Um diesen

Bestand an Pferden, deren Versorgung, Pflege und Erhaltung kümmerten sich

sogenannte Veterinäreinheiten. In einer dieser Einheiten wurde auch der Soldat

Fritz Wieckert eingesetzt. Da Veterinäreinheiten nicht direkt an der Front

eingesetzt wurden, sondern hauptsächlich im rückwärtigen Gebiet Verwendung

fanden, konnte Fritz Wieckert die Kriegsjahre bis 1945 weitgehend unbeschadet

überstehen.

Im Januar 1945 hatte Fritz Wieckert Heimaturlaub bekommen und er kehrte für

kurze Zeit nach Blankenburg zurück, um seine Familie zu besuchen. Den für

diese Heimreise benötigten Kriegsurlaubsschein bewahrte er in seiner

Brieftasche auf. Niemand wusste zu dieser Zeit, dass dies die letzte Begegnung

Fritz Wieckerts mit seiner Familie sein sollte.

Im Februar 1945 verliert sich seine Spur. Seine letzte Nachricht kam am

18.02.1945 aus Elvershagen, Kreis Regenwalde in Pommern.

 

Der Vermisste Fritz Wieckert

Der Soldat Fritz Wieckert wurde seit März 1945 in der Region Hinterpommern

vermisst. Seine Frau, Johanna Wieckert, die seit Februar 1945 keine Nachricht

mehr von ihrem Mann erhalten hat, versuchte von nun an verzweifelt, etwas

über das Schicksal ihres Mannes zu erfahren.

In ihrer ersten Suchanfrage vom 19.04.1946 an den Präsidenten der Provinz

Sachsen erwähnte sie, dass Fritz Wieckert laut der Aussage eines Kameraden

möglicherweise in russische Kriegsgefangenschaft geraten sein könnte. Leider

bleibt diese erste Suchanfrage ohne Erfolg. Im Antwortschreiben vom

30.04.1946 heißt es: ,,Die Bearbeitung Ihres Antrages kann leider nicht

erfolgen, weil z. Zt. keinerlei Nachforschungsmöglichkeiten nach ehem.

Wehrmachtsangehörigen, die bestimmt oder vermutlich in russ.

Kriegsgefangenschaft geraten sind, bestehen.''

Am 07.04.1949 stellte Johanna Wieckert einen erneuten Suchantrag beim

Deutschen Roten Kreuz. Jedoch blieb auch diese Anfrage ohne Erfolg. Per

Postkarte teilte das DRK Johanna Wieckert am 21.06.1949 mit, dass von der

Einheit des Vermissten Fritz Wieckert gegenwärtig noch keine Heimkehrer

gemeldet sind, die Auskunft über den Verbleib Fritz Wieckerts geben könnten.

Am 23.06.1957 erbittet Johanna Wieckert in einem Brief an das Deutsche Rote

Kreuz die Aufnahme ihres vermissten Ehemannes in den Bilder-Suchdienst des

DRK, zudem versucht sie mit diesem Brief mehr über den Verbleib ihres

Mannes zu erfahren. Das Deutsche Rote Kreuz bestätigte im Antwortschreiben

vom 11.08.1957 die Aufnahme Fritz Wieckerts in die Vermisstenbildlisten. Über

das Schicksal von Fritz Wieckert konnte keine Auskunft gegeben werden.

In einem Gutachten vom 14.05.1981 teilte das Deutsche Rote Kreuz der

Familie Wieckert mit, dass ,,Fritz Wieckert mit hoher Wahrscheinlichkeit im

März 1945 bei den Kämpfen im Raum Regenwalde in sowjetischen

Gewahrsam geraten und in der Gefangenschaft verstorben ist.''

Auch nach vielen weiteren Nachforschungen der Familie und des Deutschen

Roten Kreuzes konnten keine endgültigen Angaben über den Verbleib des

Vermissten Fritz Wieckert gemacht werden. Sein Schicksal blieb ungeklärt.

 

Sucheinsatz im Oktober 2009

Vom 09.10.2009 bis zum 12.10.2009 führte der V.B.G.O. e.V. in

Zusammenarbeit mit der polnischen Partnerorganisation ,,Pomorze'' einen

Sucheinsatz in der Region Hinterpommern/Dramburg durch. Aufgrund von

Informationen ehemaliger Einwohner des Dorfes, die ein Mitglied der

polnischen Suchgruppe ,,Pomorze'' erhalten hat, konnte ein von Zivilisten

angelegtes Massengrab am Rande des Dorffriedhofes lokalisiert werden.

Schon nach kurzer Suche konnte die internationale Gruppe die Grablage finden

und mit der Bergung beginnen. Im Laufe des Tages konnten insgesamt 41 deutsche Soldaten geborgen werden. Erkennungsmarken, die eine

Identifizierung möglich machten, wurden bei insgesamt 10 Soldaten gefunden.

Bei allen anderen wurden keine Erkennungsmarken gefunden, somit boten sich

keine Möglichkeiten für eine Identifizierung. Ihre Namen werden weiter

unbekannt bleiben. Dennoch kann durch genaues Arbeiten nach

archäologischen Gesichtspunkten und Fachkenntnisse zu anderen

Identifikationsmöglichkeiten auch einem Soldaten ohne Erkennungsmarke sein

Name zurückgegeben werden. Wie beispielsweise bei einem dieser 31

Soldaten.

Lediglich eine lederne Brieftasche wurde bei ihm gefunden. Bei der Prüfung

dieses Fundstückes  wurden im Inneren der Brieftasche Papierreste entdeckt.

Die genauere Untersuchung ergab, dass es sich dabei um die Reste eines

Kriegsurlaubsscheins handelte, den der Soldat in seiner Brieftasche

aufbewahrte. Schriftreste ergaben den letzten Buchstaben des Vornamens, den

Nachnamen ,,Wieckert'' , Teile der Einheit, sowie die Herkunftsbezeichnung

,,Harz''. Spätere Recherchen ergaben, dass es sich dabei um einen Fritz

Wieckert, von der ,,Veterinär Ersatz und Ausbildungsabteilung 2 Deutsch

Krone'' aus Blankenburg / Harz handeln könnte. Diese Informationen wurden

zusammen mit den gesammelten Informationen und Nachlassgegenständen

der anderen Soldaten an die Deutsche Dienststelle in Berlin zur Auswertung

übermittelt. Die sterblichen Überreste wurden an den Volksbund Deutsche

Kriegsgräberfürsorge zur Bestattung auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Stare Czarnowo/Neumark bei Stettin übergeben.